Die Geschichte von Aenne

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Niedergeschrieben und an tate.at geschickt von Aenne. DANKE!

Meine Geschichte ist die einer ziemlich normalen Hochbegabten – wenn man eine solche Geschichte als normal bezeichnen kann. Was ist schon normal?

Mein erstes Wort war “nein”, kurz darauf folgten die ersten Sätze – ich habe nie in Wortbrocken gesprochen. Ich war nicht einmal ein Jahr alt. Als ich vier war, konnte ich lesen und schreiben, rechnen im Hunderterbereich.

Meine Eltern hatten schon immer so eine Vorahnung, aber niemand hatte ihnen jemals vom Phänomen Hochbegabung erzählt, niemand sie angesprochen oder informiert – beide sind freilich nicht dumm oder unwillig gewesen. Es gab nur einfach keine “Aufklärung”.

Ich hatte mich sehr auf die Schule gefreut, doch ich wurde bitter enttäuscht. Meinen ersten Klinsch mit einem Lehrer hatte ich an meinem ersten Schultag. Ich weigerte mich “mm” statt “em” zu sagen und den Buchstaben mit dem Stift nachzufahren, oder dreißig Ms hintereinander zu schreiben. Bald hatte ich keine Lust mehr auf Schule, aber ich bewegte meinen Körper dennoch dorthin, meinen Verstand ließ ich meist draußen. Meinen Frust entlud ich an meiner Mutter, nach den täglichen Stunden war ich aggressiv und aufbrausend. Meine Eltern waren besorgt und beschlossen, das Gespräch mit der Klassenlehrerin zu suchen. Alles was sie hörten war: “Ihre Tochter ist zwar intelligent, aber sie macht Fehler, wenn sie mich fragen, ist sie nichts weiter als ein gewöhnliches Gör.” Ich hatte viele Freunde, aber es lag mir nichts an ihnen, nachmittags wollte ich meine Ruhe.

Als die Grundschule vorbei war, freute ich mich unbändig auf das Gymnasium – und der gleiche Prozess aus ungläubiger Überraschung und Enttäuschung wiederholte sich. Es fiel mir leicht und ich hatte gute Noten, sogar ein gewisser Ehrgeiz hatte die Grundschulzeit überlebt, dennoch kann ich im Nachhinein nicht behaupten, glücklich gewesen zu sein.

Schließlich wurde mein Vater nach Brüssel versetzt, mittlerweile hatte ich eine Leidenschaft fürs Zeichnen entwickelt. Das Schachspielen im Verein musste ich aufgrund unseres Umzugs aufgeben, obwohl ich Spaß daran gehabt hatte und nicht unerfolgreich gewesen war.

Und dann kam auf einmal das Thema Hochbegabung auf. Die Schule machte mich depressiv und der Frust zerfraß mich förmlich. Es war die Zeit, in der ich mir den Unterarm mit einer Nagelschere aufschnitt und beim Anblick jeder Brücke, jedes Seils und jeder Schlaftablette an Selbstmord denken musste. Ich wurde auf einen IQ von 145 getestet und aus einer erfolglosen Therapie als “therapieresistent” entlassen.

Schließlich riss die Musik mich ein wenig aus meinem tiefen, schwarzen Loch. Ich begann, mich aktiv gegen die Schule zu sträuben, stritt mich noch öfter mit meinen Lehrern. Ich ließ meinen Hass gegenüber dieser Institution offen heraushängen, tat noch weniger für die Schule, verweigerte mich, wenn ich den Lehrer nicht mochte. Die Schule bot mir an, zu überspringen. Alle waren total begeistert – außer mir und meinen Eltern. Ich lehnte mehrfach ab. Die Schulleitung hat mir bis heute nicht verziehen.

Ich wurde Mitglied bei Mensa – ein Glücksgriff. Ich mochte und mag das Sommercamp, die Menschen, die Ungezwungenheit.

Irgendwann zwischen alledem las ich das Buch “Kopfschuss”, ich begann einen Faible für Nirvana zu entwickeln. In meinem Kleiderschrank nisteten sich immer mehr schwarze Shirts ein. Und ganz langsam schlich sich über Grunge und Metal der Punk in mein Leben. Es begann mit den Ärzten und den Hosen, irgendwann kamen Slime, Terrorgruppe und die Sex Pistols dazu, aus entwicklungstechnischen Gründen Vorgänger wie The Ramones und The Who.

Das nächste Förderangebot der Schule hörte sich verlockend an, es handelte sich um ein Fernstudium, das ich – angeblich – während der Schulzeit betreiben sollte. Es stellte sich als Vorzeigeprojekt heraus, als eine schöne Lüge, die man jedem auftischte, der die Schule betrat. Tatsächlich sollte ich praktisch alles zu Hause erledigen. Dazu hatte ich weder Lust noch Zeit (Belgien betreibt ausschließlich Ganztagsschulen, auch die Auslandsschulen dort haben dieses System angenommen).

Ich malte und zeichne weiterhin viel. Das Schreiben bereitet mir ebenfalls viel Freude. Der Punk ist weiterhin da, die Idee der Anarchie und der Hass auf die Schule auch. Kurt Cobain und Pete Doherty faszinieren mich und dienen als Inspiration für viele Bilder, Gedichte und Texte. Die vielen seichten Freundschaften haben kumpelhafte Beziehungen zu Jungs und eine wirklich tiefe Freundschaft abgelöst. Mit Autoritäten habe ich nach wie vor ein großes Problem.

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